Neue Erkenntnisse und alternative Behandlungsansätze bei Arthrofibrose nach Knie TEP. Etwa 10% der Patienten leiden nach Verletzungen oder Operationen am Kniegelenk an einer „überschießenden Vernarbung“ mit erheblichen Bewegungseinschränkungen und anhaltenden Schmerzen.
In den ersten Wochen nach der Knieoperation verdrängt die vermehrte Narbenbildung das gesunde Gewebe. Die Vernarbungen breiten sich immer stärker im Kniegelenk aus. Der Patient spürt eine zunehmende Verschlechterung der Bewegung. Das Knie fühlt sich immer steifer an. Die anfänglichen Fortschritte in der Beweglichkeit sind rückläufig. Am Ende dieses Prozesses stehen erhebliche Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Diesen Zustand bezeichnen Mediziner als Arthrofibrose nach Knie TEP oder Knieverletzungen.
Symptome Arthrofibrose nach OP
Frühe Zeichen einer vermehrten Narbenbildung sind unzureichende Beweglichkeit und ungewöhnliche Schmerzen bei der Physiotherapie, auf der Bewegungsschiene und in Ruhe oder auch nachts.
Hier einige Auszüge von Bloglesern. Ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit den überschießenden Vernarbungen sind folgende:
„… Vor sechs Wochen hat es mir die Kniescheibe aus dem Kniegelenk „gehauen“. Ich wurde nach 11 Tagen operiert. Mein Knie ist jetzt komplett steif (Beugung etwa 15 Grad). Keiner der behandelnden Ärzte hat bisher so ein Knie gesehen. Verdacht auf Arthrofibrose…“
„… Ich habe mir das Knie beim Sport verdreht. Die Bewegungseinschränkungen traten nach diesem Trauma auf und somit bereits vor der anschließenden Knie OP am Außenmeniskus. Vermutlich bildete sich durch die Ruhigstellung in der Flexionsentspannung (25 Grad) über etwa sechs Wochen eine Arthrofibrose. Vier Monate nach der Knieoperation besteht immer noch eine Flexionseinschränkung auf etwa 120 Grad. Das Kontrastmittel-MRT zeigt überall deutlich Narbengewebe…“
„… Ich war gestern Abend bei der Physiotherapie. Meine Streckung ist schon wieder schlechter geworden. Sechs Wochen nach der Knie OP braucht das Knie viel länger, um es in die Streckung zu kommen. Im Stehen komme ich etwa auf 20 Grad. Der Arzt sagt: üben, üben, üben! Doch das bringt alles nur für sehr kurze Zeit etwas. Danach ist das Knie steif, wie vorher. Ich kann nur humpeln. Nachts habe ich auch Schmerzen. Das ständige Gefühl, dass Knie bewegen zu müssen…“
„… Ich habe auch das Problem der Arthrofibrose im Knie. Nach einer vorderen Kreuzband Plastik am 22.11.13 und nach zwei weiteren Spülungen und Entfernungen der vermehrten Vernarbungen habe ich nun, nach 3 Monaten noch immer ein geschwollenes Knie mit inzwischen chronischer Synovialitis (Entzündung der Gelenkinnenhaut), sich wellenhaft ändernden CRP-Werten im Blut und Bewegungseinschränkung (ca. 10 Grad Streckhemmung, Beugung liegt bei ca. 110 Grad). Erhöhte Bewegung hat zeitversetzt stärkere Beschwerden zur Folge, so dass ich inzwischen sehr unsicher bezüglich meiner Reha-Maßnahmen bin…“
„… ich bin 71 Jahre alt; zwei Knie-TEP. Linkes Knie vor fünf 5 Jahren operiert und alles bestens. Rechts vor etwa zwei Jahren mit der Diagnose: Arthrofibrose nach Knie TEP. Meine Streckung liegt bei etwa 5 Grad und die Beugung ca. 100 Grad, wobei es bei 90 Grad zu ziehen anfängt. Dann funktioniert es nur noch mit Druck von Außen. Bei mir hilft moderate Bewegung. Zum Beispiel Nordic-Walking und Radfahren mit leichten Gängen. Ich habe mir zweite und dritte Meinungen eingeholt. Wegen den zu erwartenden Komplikationen im Verhältnis zu dem „relativ“ geringen Defizit wurde mir von einem Rausschneiden der Verwachsungen abgeraten. Kurzum: Geduld, in sich hineinhören, moderate Bewegungen. Ich gehöre bestimmt zu den leichteren Fällen der Kniesteife, aber vorhanden ist die Arthrofibrose, wenn ich den Vergleich mit dem linken Knie herstelle…“
Gängige Behandlung der Arthrofibrose nach Knieoperationen
Postoperativ treten bei der Komplikation durch überschießende Narbenbildung früh vermehrte Schmerzen und Bewegungsdefizite auf, denen die Fachärzte mit einer Intensivierung der Physiotherapie und manchmal auch mit einer Mobilisation in Narkose begegnen, um die sogenannten „Verklebungen“ zu lösen. Das Ziel möglichst schnell eine Beweglichkeit, von mindestens Null Grad in der Streckung und 90 Grad in der Beugung zu erreichen.
Häufig mit dem intensiven Einsatz von motorisierten Bewegungsschienen und unter mehrtägiger Anästhesie des betroffenen Kniegelenks. Die lokale Betäubung bei der Mobilisation über eine 90 Grad Beugung verhindert, dass der Patient Schmerzen spürt.
Oft verschlechtert sich nach kurzfristiger Besserung, die Symptomatik des „steifen“ Knies wieder. In der nachfolgenden Knie-Rehabilitation treten nach anfänglichen Fortschritten, die Bewegungsprobleme wieder auf, sodass im weiteren Verlauf, erneute operative Eingriffe in Erwägung gezogen werden.
Alternative Therapie bei vermehrte Narbenbildung nach Knie TEP
Dr. Philipp Traut forscht seit einigen Jahren auf dem Gebiet der Arthrofibrose nach Knie TEP. Er erklärt die ungünstige Entwicklung bei Arthrofibrose Patienten folgendermaßen: Laut Fibrose-Forschung führt mechanischer Stress zu einer Aktivierung der Fibroblasten mit vermehrter Produktion der Xylosyltransferase, dem Enzym, das in Verdacht steht, die Prozesse der Fibrosierung zu generieren. [1]
Eine intensive Bewegung im Schmerzbereich fördert den Entzündungsprozess im Kniegelenk. Das Knie „fühlt“ Stress und die körpereigenen Bausteine, die für die Produktion von Gewebe zuständig sind laufen auf Hochtouren. Die Narbenproduktion im Knie nimmt zu, statt ab. Ein Teufelskreis entsteht.
Es gibt zwei Formen von vermehrter Narbenbildung im Kniegelenk:
- Primäre Arthrofibrose: Massive Neubildung von Bindegewebe infolge reparativer Prozesse.
- Sekundäre Arthrofibrose: Wucherungen des Bindegewebes infolge von mechanischen Irritationen oder Infektionen.
Bei einer primären Arthrofibrose scheinen die üblichen Behandlungsstrategien nach anfänglichen Erfolgen nicht zwangsläufig anzuhalten. Bei der lokalen oder sekundären Arthrofibrose sind die operativen Eingriffe (Arthrolysen) weitaus erfolgsversprechender und bringen schnelle Entlastung für den Patienten.
Vor allem im Bereich der primären Arthrofibrose müssen alternative Behandlungsansätze geschaffen werden. Daher verfolgt Dr. Phillip Traut in seiner Arthrofibrose Behandlung einen vom Standard abweichenden Therapieansatz.
Auszug Forschungsbericht zur Arthrofibrose (7. Endoprothetik-Kongress)
Stichprobe und Methode
Von Mai 2011 bis August 2013 wurden 160 Patienten (100 Frauen, mittleres Alter 62,4 und 60 Männer, mittleres Alter 63,2) mit der Erstdiagnose M24.6 (Versteifung des Gelenks) nach einem speziellen Therapieschema über durchschnittlich 25 Tage rehabilitiert.
Therapie Arthrofibrose nach Knie TEP
Verzichtet wurde auf passive Dehnübungen zugunsten physiotherapeutisch durchgeführten osteopathischen und reflextherapeutischen Maßnahmen. Außerdem wurden die Patienten über die Entstehung und das Krankheitsbild von Arthrofibrose umfassend aufgeklärt.
Alle weiteren therapeutischen Maßnahmen (Bewegungsschiene, Physiotherapie in Halle und Bewegungsbad) erfüllten die Kriterien des neuen Krankheitsverständnisses.
Zusätzlich eine medikamentöse Behandlung mit niedrig dosiertem Prednisolon 20 mg (10 Tage 1-0-0, 10 Tage 1/2-0-0, 20 Tage 1/4-0-0) zur Dämpfung der Fibroblasten-Aktivität und Propanolol 10 mg über 40 Tage zur Senkung des Sympathikotonus und Hemmung der Proteinsynthese. Tägliche Kontrolle des Blutdruckes und wöchentlich Blutzucker-Tagesprofil.
Ergebnisse der Arthrofiborse Untersuchung
Beweglichkeit nach Implantation von Knieteilprothesen (TEP):
In der Arthrofibrose Studie nach Knieteilprothesen wurde eine Steigerung der Beweglichkeit des Kniegelenkes (ROM= Range of Movement) um durchschnittlich 20,9 Grad bei einem Range von 0-70 Grad erzielt.
Bei keinem Patienten kam es zu einer Verschlechterung. Bei der Kontrollgruppe („normale“ Knie-Teilprothesen) wurden ähnliche Steigerungen der Beweglichkeit erreicht, allerdings von einem deutlich höheren Ausgangsniveau (siehe Abb. 1)
Schmerzen nach Arthrofibrose Therapie und Knie TEP:
Bei 84,4% Patienten kam es zu einer Schmerzreduktion auf wesentlich weniger oder kein Schmerz. Bei 15,6% der Studienteilnehmer konnte keine wesentliche Verbesserung erzielt werden. (siehe Abb. 2)
Frauen und Männer erzielten ähnlich gute Ergebnisse im ROM-Gewinn (21,2 / 20,8 Grad). Der Anteil von Frauen und Männer ohne Schmerzverbesserung entsprach in etwa der Geschlechterverteilung (60 / 40).
Schlussfolgerung der Arthrofibrose Studie
Auch bei Arthrofibrose-Patienten mit bisher weniger erfolgreichen physiotherapeutischen und operativen Behandlungen sind Erfolge bei der Beweglichkeit und der Schmerzreduktion in einem hohen Prozentsatz erzielbar.
Es gibt Hinweise, dass ein früher Beginn der spezifischen Arthrofibrose Therapie zu besseren Ergebnissen führt. Aufgrund dieser Annahme ist auf eine ausschließlich mechanische physiotherapeutische Intervention und/oder Mobilisation unter Narkose zu verzichten.
Erneute operative Eingriffe sind nur bei Patienten mit zusätzlichem Low-Grade-Infekt oder Fehlplatzierung der Knie-TEP durchführen.
Es zeigte sich auch außerdem eine Verwandtschaft bei der (proliferativer = wuchernd) Arthrofibrose und dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (= CRPS-Syndrom) sowie irreversiblen Veränderungen an der Kniescheibe (z.B. Patella infera/baja). [2]
Weitere Beiträge: Arthrofiborsoe nach Kreuzbandriss und Therapie nach Kreuzband OP.
Quelle:
[1] P. Traut (2012): Arthrofibrose nach Knie – Endoprothetik, Forum Sanitas. 01/2012: 8–9
[2] P. Traut (2014): 7. Endoprothetik-Kongress, Berlin, Charite, 13.–15. Februar 2014