Infektion im Knie – Gefahr lauert auch in der Nase

By Katrin Glunk

Februar 9, 2015


Jährlich sterben 15.000 Menschen durch Infektionen mit resistenten Keimen. Häufige Ursachen mangelnde Hygiene, laxe Kontrollen und Zeitnot in den deutschen Kliniken: „Derjenige, der den Keim überträgt, macht gar keine oder eine zu kurze Händedesinfektion!“  Doch es ist nicht nur die mangelnde Hygiene, die Gefahr geht auch vom Patienten selber aus – das Risiko „lebt“ in der Nase.

Jeder multiresistente Erreger wird bei oder nach der Knieoperationen zur Gefahr. Keiner ist gefeilt vor einer Infektion im Knie, auch junge und gesunde Patienten nicht. Der Beitrag beleuchtet die Folgen einer Infektion im Knie für das vordere Kreuzbandtransplantat und klärt auf, was der Patient selbst tun kann, um sein Infektionsrisiko bei einer Routine- Knie-OP zu minimieren.

Im Krankenhaus sind „harmlose“ Erreger ein Risiko

Die Keime sind nicht grundsätzlich gefährlich. Nur wenn sie in frische Wunden (mangelnde Desinfektion), Lunge (Beatmungsgeräte während der Narkose), Blase (Katheter) oder Blutbahn (Venenzugänge) gelangen, verursachen sie Infektionen, die auch sehr dramatisch verlaufen können. Patienten bekommen eine Wundinfektion, eine Lungen- bzw. Blasenentzündung oder Blutvergiftung (Sepsis) unter Umständen mit tödlicher Folge.

Das Problem ist, dass die sogenannten „Krankenhauskeime“ in Form von multiresistenten Erregern (häufig MRSA = Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus oder EBSL= Extended-Spectrum-Betalaktamase) sind. Das bedeutet, immer mehr Antibiotika sind gegen diese Keime wirkungslos. Deswegen stellen die multiresistenten Bakterien in Kliniken eine immer größere Gefahr für den Patienten dar.

Knieinfektion – Folgen für das operierte vordere Kreuzband

Die Infektion ist eine, wenn nicht, die schwerste Komplikationen nach einer vorderen Kreuzbandoperation. Die Zahlen für eine Infektion im Knie variieren zwischen 0,14 und 1,8% [1].

Bakterielle Oberflächenkomponenten ermöglichen den bakteriellen Erregern eine Anhaftung an die Kreuzbandplastik. Dort bilden die Erreger eine Art „Biofilm“ – dieser schützt die Bakterien (meist Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis) vor der körpereigenen zellulären Abwehr und vor Antibiotika [2]. Oft führen die gravierenden Schädigungen zu einer Arthrofibrose [3]. Zunächst versuchen die Ärzte das Kreuzband über Spülungen zu retten – was nicht immer gelingt.

Die Folgen sind eingeschränkte Bewegungen, erneute Instabilität im Kniegelenk, Osteoarthrose (degenerative Gelenkerkrankung am Knorpel) und am Ende die Zerstörung des gesamten Kniegelenks [4].

Infektion im Knie breitet sich aus – Eskalationsstufen

Eine beispielsweise MRSA-Infektion kann sich je nach Ort der Entzündung in sehr unterschiedlichen Symptomen äußern. Mediziner unterscheiden eine lokale, tiefgehende und systemische Infektionen sowie eine durch Toxine (Gifte) ausgelöste Infektion im Knie.

Symptome lokaler Infektionen im Kniegelenk

Lokale Knieinfektionen bleiben oberflächlich und betreffen die Haut, die Talgdrüsen oder Haarbälge. Sie zeigen sich als eitrige Entzündungen – beispielsweise als Furunkel oder Abszesse. Bei bestehenden Hautwunden nach Knieoperationen sind typische Symptome einer Wundinfektion:

  • Rötung
  • Erwärmung
  • Schwellung
  • Schmerzen
  • Funktionsstörung
  • Kein Wundverschluss.

Anzeichen tiefergehender MRSA-Infektionen im Knie

Infektion im Knie - reizlose Wunden
Keine Infektion im Knie – reizlose Wunden | Foto: knie-marathon.de

Bei einer Ausbreitung mit Sepsis können folgende Symptome hinzukommen:

  • Fieber
  • Schüttelfrost
  • Herzrasen
  • Schnellatmung
  • Übelkeit

Symptome MRSA-Infektionen im ganzen Körper

Von einer systemischen Infektion sprechen Ärzte, wenn sich die Entzündung nicht mehr auf das Kniegelenk beschränkt, sondern über die Blutbahn auf ein Organsystem oder den gesamten Körper ausbreitet. Die Ausbreitung erfolgt von einer lokalen Wundinfektion ins das Körperinnere bzw. in die Kniegelenkshöhe. Von dort gelangen Keime, über die Blutbahn und führen zu einer Sepsis (Blutvergiftung).

Eine fortgeschrittene bakterielle Infektion im Knie entsteht, wenn eine Infektion im Körper außer Kontrolle gerät. Die Blutvergiftung kann schnell lebensgefährlich werden, deshalb muss eine Knieinfektion innerhalb der Gelenkhöhle rasch und konsequent behandelt werden. Der Organismus reagiert mit einer Entzündung, die nach und nach alle Organe erfasst. Der Verlauf einer Sepsis ist meist akut – kann aber auch chronisch sein.

Die Symptome einer Infektion im Knie sind aufgrund der hohen Anzahl unterschiedlicher Bakterien nicht immer spezifisch, d.h. sie führen im Körper zu verschiedenen Symptomen:

  • Blutdruckabfall
  • Kreislaufversagen
  • Nierenversagen und Bewusstseinsstörungen
  • Hohes Fieber.

Eine Sepsis kann auch vollkommen fieberfrei verlaufen. Somit sprechen hohe, mit Schüttelfrösten einhergehende Temperaturen für eine Blutvergiftung, wenig erhöhte oder normale Werte jedoch nicht unbedingt dagegen.

Die Ärzte sprechen im weit fortgeschrittenen Stadium einer Infektion vom Toxic shock syndrom (TSS). Bei MRSA tritt das TSS jedoch selten auf.

Diagnostik – Kniepunktion gibt nicht immer Sicherheit

Der häufigste Erreger bakterieller Infektionen nach vorderer Kreuzbandrekonstruktion ist der Staphylococcus aureus, gefolgt von Staphylococcus epidermidis und koagulasenegativen Staphylokokken. Doch die Vielfalt an Erregern ist groß. Die verschiedenen bakteriellen Infektionen erzeugen in der Praxis ein heterogenes klinisches Bild. Nicht jeder niedergelassener Arzt hat bei dieser Vielfalt den Überblick.

Auch lassen sich in bis zu 20% der Fälle durch eine Punktion keine Erreger im Kniegelenk isolieren [5]. Die Sicherheit der Diagnose für Keime im Knie steigt letztlich mit der Anzahl auswertbarer Gewebeproben. Daher ist eine Biopsie (Kniespiegelung oder ASK) der Kniepunktion im Hinblick auf die Sensitivität überlegen. Besteht ein begründeter Verdacht ist die Punktion im Kniegelenk neben der Untersuchung unerlässlich – einige wichtige Hygienemaßnahmen während der Kniepunktion.

Denn erst der Erreger- und damit der Resistenznachweis ermöglicht eine zielgerichtete Therapie mit Antibiotika [6]. Um unnötige antibiotische Therapien zu verhindern, sollte die Behandlung mit Antibiotika erst nach der Gewinnung von ausreichendem Material für die mikrobiologische Untersuchung beginnen. Ansonsten besteht die Gefahr, unnötige Antibiotika-Resistenzen zu bilden und vor allem wertvolle Zeit zu verlieren.

Ein zweiter Blick ist unerlässlich bei Verdacht auf Infektionen im Knie

Infekte mit Erregern hoher Pathogenität (Krankheitswert) wie z. B. Staphylococcus aureus sind durch Symptome wie starker Schmerz, Schwellung und Rötung gekennzeichnet.

Hingegen ist der „Low-grade“-Infekt, eine Knieinfektionen mit eher unspezifischen klinischen Symptomen, wie ein leichter Schmerz sowie ein geringer Erguss im Kniegelenk. Erhöhte Leukozyten-Zahl oder ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP-Wert) helfen hier neben der Kniepunktion zielführend für die Infekt-Diagnose.

Ein trüber Erguss kann Hinweise auf einen Infekt im Knie geben. Jedoch schließt ein klarer (seröser) Erguss eine Infektion mit resistenten Erregern im Kniegelenk nicht aus. Der klare Erguss kann bei „Low-grade“-Infekten durchaus vorkommen. Hilfreich ist zusätzlich die Bestimmung der Zellzahl und Zelldifferenzierung im Knieerguss (Punktat).

Keine Zeit verlieren, wenn die Gelenkflüssigkeit (Synovialflüssigkeit) folgende Ergebnisse aufweist:

  • Farbe: Grau bis gelblich und trüb
  • Viskosität: Zähflüssigkeit niedrig
  • Leukozyten/μ (Anzahl): Zwischen 60.000–400.000
  • Art der Leukozyten: >90% PMN*
  • Harnsäure: Nicht erhöht

*PMN (Polymorphkernige neutrophile Granulozyten) stellen die erste Verteidigungslinie der immunologisch-unspezifischen Abwehr vor allem bakterieller Infekte dar. Im Falle einer Infektion wandern die PMN aktiv und gezielt aus der peripheren Blutbahn in den Herd der Infektion ein, um dort Bakterien (oder andere Erreger) zu zersetzen.

Risikominimierung selbst in die Hand nehmen – Prävention

Die Gründe einer Knieinfektion sind vielfältig und rechtfertigen einen separaten Artikel. Leider kann sich der Patient selber, nur begrenzt schützen. Dennoch ein paar Möglichkeiten zur Reduktion des Ansteckungsrisikos sind folgende Möglichkeiten.

Informieren über die Hygienemaßnahmen im Krankenhaus

Übertragen werden MRSA vor allem in Kliniken. Sehr häufig erfolgt die Übertragung über die Hände des medizinischen Personals. Staphylokokken können jedoch auch lange auf Gegenständen überleben. Das heißt, die Erreger werden über gemeinsam benutzte Gegenstände (z.B. Blutdruckmanschetten, Stethoskope u.a.) von einem Patienten auf den nächsten übertragen. In den allermeisten Fällen ist die mangelnde Hygiene, die Ursache für die Übertragung.

Als zukünftiger Patient einer Klinik, ist es schwer zu beurteilen, wie genau es ein Krankenhaus bzw. das Personal mit der Hygiene nimmt. Darauf kann ein Patient dennoch achten:

  1. Wenn ein stationärer Klinik-Aufenthalt oder ein operativer Eingriff ansteht, sollte der Patient sich vorab informieren, ob das Krankenhaus eine Abteilung für Hygiene oder Hygienefachpersonal hat. Das zeigt zumindest die Sensibilität für das Thema, ob die Richtlinien auch eingehalten werden, steht auf einem anderen Blatt.
  2. Außerdem sind Infektionen ab der zweiten Infektion meldepflichtig. Das Gesundheitsamt und der Qualitätsbericht einer Klinik geben Auskunft. Vergleichszahlen geben Hinweise.
  3. Auch kann der Patient, sofern er dazu gesundheitlich in der Lage ist, darauf achten, dass Ärzte und Pflegepersonal sich vor einer Behandlung stets die Hände ausreichend und lange (mindestens 30 Sekunden) desinfizieren. Das ist zwar nicht die Aufgabe des Patienten – nur was sollen Betroffene machen, wenn die Hygienestandards offensichtlich nicht eingehalten werden.
  4. Auch die eigenen Besucher bitten, die Spender zur Händedesinfektion zu benutzen.
  5. Grundsätzlich Antibiotika im Essen (tierische Produkte, vor allem Pute) vermeiden.
  6. Antibiotika nur Einnehmen, wenn die Krankheit es wirklich erfordert. Beispielsweise bei klassischen Erkältungen helfen keine Antibiotika – das sind in der Regel Viren!
  7. Nach der Entlassung ein ordentliches Wundmanagement betreiben.
  8. Darauf achten, dass beim Fäden ziehen alle Hygienemaßnahmen eingehalten werden.

Feind ist unsichtbar – MRSA Screening vor der Knie OP

Ein weiterer wichtiger Punkt, die multiresistenten Erreger nicht selber, in das eigene Krankenzimmer einchleppen. Denn bei MRSA-Keimen muss zwischen einer Besiedlung und einer Infektion unterschieden werden.

Etwa ein Drittel der Patienten sind mit Staphylokokken und auch mit MRSA besiedelt, ohne es zu merken. Die Bakterien leben vor allem auf den Schleimhäuten des Nasen-Rachen-Raums. Gelegentlich kommen sie auch auf der Haut vor. Dort sind sie „harmlos“ – sofern sie nicht in das Körperinnere gelangen. Weitere Schutzmöglichkeiten vor einer Infektion im Knie für den Patienten selbst.

Risikogruppen für die Infektionen im Knie

Besonders häufig sind Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten, Träger von MRSA, da sie öfters in Kontakt mit dem Erreger kommen. Das Risiko von MRSA oder ESBL besiedelt zu werden, ist auch für Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt oder einem Aufenthalt in einer Reha-Klinik oder Pflegeheime höher. Gleiches gilt für Patienten, bei denen eine Antibiotikatherapie durchgeführt wurde oder die beruflich engen Kontakt zu Tieren in der Landwirtschaft (Haustiere) haben. Ein erhöhtes Risiko tragen auch Menschen mit chronischen Krankheiten (beispielsweise Diabetes mellitus) oder Personen mit Gelenkprothesen (Knieteilprothesen, TEP). Auch gilt ein Aufenthalt in Ländern, wie Süd/Ost-Europa, Afrika und Asien als erhöhtes Risiko.

Vor der Knie-OP der Selbsttest – Screening und Sanierung

Jeder Patient kann etwa eine Woche vor seinem operativen Eingriff oder Aufenthalt einer Klinik einen Test auf MRSA durchführen lassen. Dieser Test in Form eines Nasenabstriches kostet etwa 30 EUR und kann beim Hausarzt durchgeführt werden. Risikogruppen sollten auf jeden Fall versuchen, die Kosten über die Krankenkasse abzurechnen. Ich lass mich vor jeder Operation testen, da ich ein Risikopatient bin. Die paar Euro sind es mir wert, erstaunlicherweise hatte ich bisher nie einen positiven Befund.

Wird ein nasaler Befahl mit dem resistenten Erreger festgestellt, findet die sogenannte Sanierung (zuhause) statt. Dafür muss der Patient 3 bis 5 Tage lang eine bestimmte Nasensalbe verwenden und mit einer Mundlösung gurgeln. Für den Befall der Haut bekommt der Patient eine antiseptische Seife verordnet. Während der Sanierung ist ein täglicher Kleiderwechsel, Bettwäsche und persönliche Gegenstände (Zahnbürste, Rasierer u.a.) sinnvoll.

Fehler liegt im System selbst – laxe Kontrollen

Pflegepersonal, Ärzte müssen sich immer um mehr Patienten kümmern. Aus Zeitnot oder Unachtsamkeit schleichen sich Nachlässigkeiten ein. Kritiker weißen darauf hin, dass die Gesundheitsämter vielerorts zu lasch, kontrollieren. Die Kontrollen sind nicht unangemeldet, die Ämter prüfen zu wenig und nicht an den entscheidenden Stellen.

Jeden einzelnen Patienten vor dem Klinikaufenthalt zu testen, würde angeblich das Budget jeder Klinik in Deutschland sprengen. Es ist im Grunde eine Frage der Kosten-Nutzen Rechnung. In den Niederlanden ist die systematische vorab Testung  Standard – dort scheinen die Hygienefachleute andere Rechnungen aufzustellen.

Nicht zu vergessen, ist der größtenteils „sorglose“ Umgang mit Antibiotika. Es gibt Länder, da steht das Medikament im Supermarktregal!

Quelle:
[1] Binnet M, Basarir K (2003) Risk and outcome of infection after different arthroscopic anterior cruciate ligament reconstruction techniques. Arthroscopy 23:862–868
[2] Kalita SJ, Verma S (2010) Nanocrystalline hydro-xyapatite bioceramic using microwave radiation: synthesis and characterization. Mater Sci Eng C 30:295–303
[3] [6] Ohlsen K, Hacker J (2004) Pathophysiologie der bakteriellen Infektionen. In: Hendrich C, Frommelt L, Eulert J (Hrsg) Septische Knochen- und Gelenkinfektionen. Springer
[4] [5] Petersen W (2008) Infektion nach VKB Ersatzplastik. In ed. Petersen und Zantop, Das vordere Kreuzband. Deutscher Ärzteverlag

Über die Autorin

Dipl. Psychologin Katrin Glunk | Personal Coach, Fitness- und Reha-Trainerin.

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