„Ihre Diagnose lautet: Kreuzband Reruptur. Sie sollten erneut das angerissene Kreuzband operieren lassen!“; Nach diesen schockierenden Worten schießen dem Patienten längst vergessene Bilder der letzten Kreuzbandriss Operation in das Gedächtnis. Die Schmerzen sind fast spürbar und die lange Reha-Zeit ist wieder präsent. Viele Patienten stellen sich nach dieser schockierenden Kreuzband Diagnose die Frage: „Soll ich mir das noch mal antun?“ Was nach dem Versagen der ersten Kreuzbandplastik auf dich zukommt, beschreibe ich in diesem Artikel.
Ursache und Ablauf der Revisionsoperation am Kreuzband
Unter einer Revisionsoperation des Kreuzbandes verstehen Mediziner eine erneute operative Versorgung der Kreuzbandplastik. Die Rekonstruktion des ersten (primären) Kreuzbandes gilt als fehlgeschlagen:
- Bei einer erneuten Instabilität des Kniegelenks.
- Bei einem stabilen aber steifem Knie mit einer Bewegungseinschränkung von 10 – 120° Beugung.
Gerissene Kreuzbandplastik, das Versagen hat fünf Ursachen
Die Möglichkeiten des Versagens einer Kreuzbandersatzplastik sind vielfältig. Vor einem Revisionseingriff ist eine genaue Versagensanalyse notwendig, um die Wiederholung einer möglichen Fehlerquelle zu vermeiden. Bei der Ursachenanalyse wird nach fünf Möglichkeiten unterschieden:
1. Operatives Versagen: Erste Kreuzbandplastik liegt falsch
RICK W. et al., 2012 untersuchten die Gründe für das Versagen der primären Kreuzbandplastik und stellten in 45,8% der Fälle operative Fehler als Ursache fest:
Hierzu zählten die inkorrekte Transplantatposition sprich die Fehlplatzierung des femoralen und/oder tibialen Bohrkanals die falsche Transplantatwahl, sowie die nicht korrekte Transplantatfixierung oder nicht mitversorgte Begleitverletzungen.
Weitere Einflussfaktoren waren chirurgische Fehler, die sich auf mangelnde Erfahrung, Übung oder Wissen des Operateurs zurückzuführen lassen. [1]
Einer der wesentlichen Schritte bei der ersten Kreuzbandplastik ist die präzise Anlage der Bohrkanäle durch Ober- und Unterschenkel, in denen das Sehnen-Transplantat später fixiert wird. Häufig liegt der Bohrkanal an Ober- und Unterschenkel zu weit vorne. Damit ist das neue Kreuzband zu kurz und verursacht eine Streck- und Beugehemmung. Zu steil positionierte Kreuzband Transplantate gewährleisten zwar Stabilität in der vorwärts und rückwärts Bewegung, können aber zu einer Rotationsinstabilität führen. Die Konsequenzen dieser operativen Fehlschläge zeigen sich schon im Verlauf der ersten Kreuzbandplastik-Reha Wochen.
2. Traumatische Ursache: Kreuzbandersatz hält nicht
Eine erneute Verletzung bei guter Position des Kreuzbandes führte bei 49,3% der Untersuchten zu einem neuen Riss des Kreuzbandersatzes [1]. Diese Zahl von Revisionseingriffen dürfte in Zukunft weiter ansteigen, da erfreulicherweise die meisten Patienten nach einer Kreuzbandrekonstruktion wieder ihrer gewohnten sportlichen Aktivität nachgehen. Auf einige Sportarten solltest du allerdings länger verzichten, um dein neues Kreuzband im biologischen Umbauprozess nicht zu schädigen.
3. Biologische Ursachen: Kreuzbandplastik wächst nicht ein
Die mangelnde Einheilung der Kreuzbandplastik wird als biologische Ursache für ein Transplantatversagen bezeichnet. In der Überblicksstudie wurde dies in 4,9% der Fälle als Ursache genannt [1]. Für den einzelnen Patienten sind die biologischen Ursachen sehr belastend, da eine körperliche Reaktion auf die Sehnentransplantation oder auf das Fixationsmaterial nur schwer vermeidbar sind.
4. Kreuzbandriss-Reha Ursachen: Falsche Trainingsschwerpunkte
Die erste Kreuzbandersatzplastik wurde erfolgreich eingesetzt – nur die Nachbehandlung und Nachsorge war nicht optimal. Die Lücke zwischen einen mechanisch stabilen und funktionalen Kniegelenk wurde durch die Knie-Reha nicht geschlossen. Folge eine erhöhte Gefahr für den neuen Riss.
5. Begleitverletzungen beim ersten Kreuzbandriss „vergessen“
Forschungsergebnisse zeigen, dass nicht nur das vordere Kreuzband für die Stabilität im Knie verantwortlich ist, sondern auch andere Bänder maßgeblich bei Rotationsbewegungen mitarbeiten. Solltest du eine Kreuzband Reruptur haben, empfehle ich dir, auch diese Möglichkeit in dein Denken einzubeziehen. Dafür habe ich ein sehr interessantes Interview mit Prof. Dr. Frosch, aus Hamburg geführt.
Ein oder zwei Operationstermine für die Kreuzbandrekonstruktion
Die erneute Kreuzbandplastik stellt eine schwierige Knie OP dar: Die alten Bohrkanäle verhindern die neue „korrekte“ Verankerung des Transplantats oder machen sie unmöglich. Zudem fehlt es an geeigneten Sehnen, da die besten Transplantate schon für den ersten Kreuzbandriss verbraucht wurden. Das bedeutet für den Kniechirurgen, er muss mit vielfältigen Techniken vertraut sein, um in Abhängigkeit von den bestehenden Knie Verhältnissen, die richtigen Entscheidungen zur Wahl der Sehne und Befestigung zu treffen.
Doch vor dem erneuten Kreuzband Eingriff steht eine ausführliche Diagnostik an, bei der die Bohrkanäle auf Weite und Lage sowie Begleitschäden, wie Knorpeldefekte sorgfältig überprüft werden. Dies geschieht über eine MRT-Aufnahme. Unter Umständen muss vor einer erneuten Implantation des Kreuzbandes, die alten zu weiten Bohrkanäle mit Knochenersatzmaterial (Spongioplastik oder Spongiosaplastik) aufgefüllt werden. Diese Entscheidung beeinflusst maßgeblich die Planungen der Kreuzband Reruptur OP. Das Auffüllen der „alten“ Bohrkanäle nach einer Kreuzband Reruptur entfällt meistens, wenn sich der Patient zuvor für die All-press-fit Kreuzband-OP Methode Methode entscheiden hat.
Operationsplanung nach einer Kreuzband Reruptur
Bei der Planung eines Revisionseingriffes sind neben Anamnese und klinischer Untersuchung auch bildgebende Verfahren (MRT und Röntgen) von entscheidender Bedeutung. Beispielsweise gibt das Röntgenbild Auskunft über die Lage der Bohrkanäle sowie deren Tunnelweite. Der Chirurg sieht, ob eine direkte Kreuzband Revision (einzeitiges Vorgehen) möglich oder zuerst eine Bohrkanalauffüllung mit Knochenmaterial (zweizeitiges Vorgehen) notwendig ist.
Ein Kreuzband Operationstermin reicht in der Regel aus, wenn:
- Keine oder nur eine minimale Erweiterung der Knochenkanäle im Knie vorliegt.
- Die Bohrkanäle kaum erweitert sind und in anatomisch korrekter Position liegen (Wiederverwendung).
- Die Tunnel so falsch liegen, dass sie bei einer erneuten Kanalbohrung nicht stören.
Verhindern falsche oder erweiterte Tunnelpositionen, die Einheilung und Funktion des neuen Kreuzbandes, füllen die Mediziner diese Bohrkanäle zuerst wieder auf.
Danach heißt es abwarten bis das Knochenmaterial anwächst. Für mich war dieser Zeitraum sehr belastend, da es mindestens drei bis vier Monaten dauert. Vorher kann der Revisionseingriff am Kreuzband nicht erfolgen. Auch die dazwischenliegende Knie Reha ist für alle Beteiligten eher schleppend, weil es mental ein Übergangsstadium darstellt.
Operation am Becken und im Knie
Die Bohrkanalauffüllung ist die Voraussetzung für die Rekonstruktion des neuen Kreuzbandes, wenn der Kniespezialist Fremdmaterial (Bio-, Zucker-, Metallschrauben) verwendet.
Der Kniespezialist entfernt komplett alle alten Transplantatreste inklusive dem Fixationsmaterial und reinigt die Bohrkanäle. Anschließend führt er die Operation am Beckenkamm weiter. Der Arzt entnimmt mit einer Stanze die Knochenzellen aus dem Hüftknochen. Dann pflanzt er die herausgestanzten und zerkleinerten Knochenblöcke in die erweiterten Bohrkanäle im Knie ein.
Die transplantierten Knochenblöcke wachsen hoffentlich innerhalb von drei Monaten ein und verschließen die ehemals weiten Bohrkanäle. Das erfolgreiche Einwachsen der Knochenzylinder sowie eine mögliche Zystenbildung werden nach ca. 8-10 Wochen über eine Röntgenaufnahme kontrolliert. Sind die Kanäle auf der Aufnahme nicht oder kaum mehr sichtbar, findet die nächste Kreuzband OP statt.
Spongiosaplastik, wenn das Knochenmaterial aus der Hüfte kommt
Nach dieser Operation bin ich außer mit Schmerzen im Knie auch mit heftigen Problemen im Bereich des Beckenkamms aufgewacht. Die Schmerzen waren mäßig stark, und mit einer guten Medikation in den Griff zu bekommen. Da der Operateur mir viele und vor allem große Knochenzylinder entnommen hat, machten mir monatelang enge Hosen oder Gürtel zu schaffen. In den ersten Wochen war jeglicher Druck von außen oder das Liegen auf der Seite schwierig. Zwei der Löcher in meinen Hüftknochen spüre ich heute noch; Beschwerden keine mehr.
Alternative zur Spongiosaplastik ist der Knochenersatz nach der Reruptur am Kreuzband
Inzwischen wird zum Knochenaufbau bei einer Kreuzbandreruptur immer öfters nochenersatzmaterialien verwendet.. Dieser gereinigte Spenderknochen stammt vom Rind oder Verstorbenen. Inzwischen gibt es auch künstlich erzeugtes Spendermaterial zum Auffüllen der Bohrkanäle nach dem zweiten Riss am Kreuzband.
Damit können sämtliche Knochenverluste nach einer Kreuzband Reruptur alternativ zu dem eignen Knochen aus der Hüfte mittels synthetischem Material ersetzt werden. Der Vorteil bei künstlichen Ersatzmaterial liegt darin, dass kein Übertragungsrisiko von Krankheitserregern vorliegt und immer ausreichend Knochenersatzmaterial beim Kreuzband Revisionseingriff vorliegt.
Eigentlicher Reversionseingriff am Kreuzband
Beim ersten Kreuzbandriss steht die komplette Palette an Sehnen als Kreuzbandersatz zur Verfügung. Der Kniechirurg kann seiner Präferenz nachgehen. Beim Revisionseingriff ist die Auswahl an geeignetem Material schon beschränkter, selten wird auf die Gegenseite ausgewichen.
Wie bei der ersten Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes sind die beiden häufigsten verwendeten Transplantate die Hamstringsehnen (Semitendinosus- und Gracilissehne).
Diese gibt es einmal pro Bein. Wünscht der Patient wieder die Verwendung des „golden Standards“ muss er der Sehnenentnahme auf der kontralateralen (gesunden) Seite zuzustimmen. Dann eröffnet der Chirurg dort, die Haut mit einem kleinen Schnitt am gesunden Bein und entnimmt die Spender-Sehnen. In der Regel legt der Knieexperte keine Drainagen in dieses Bein. Schließlich muss der Patient nach der OP gleich darauf stehen und gehen. Der nachfolgende Ablauf der Kreuzbandrekonstruktion ist ähnlich der primären Rekonstruktion.
Schmerzen nach Kreuzband Reruptur
Jede Kreuzbandoperation ist begleitet von mehr oder minder heftigen Schmerzen; getoppt wird das nach der Revisionsoperation. Auf ein frisch operiertes Bein zu stehen, erfordert noch mal mehr Kraft und Schmerztoleranz. Zudem hatte ich massive Koordinationsstörungen im „Spenderbein“, Ich konnte tagelang das Bein nicht anheben. Das „gesunde“ Bein schleifte bei jedem Schritt am Boden. Treppensteigen, Schwellen überwinden oder gar auf Kopfsteinpflaster gehen war unmöglich.
Bei mir war die Gefahr eines Sturzes mit den Gehhilfen war so groß, dass ich länger als geplant in der Klinik bleiben musste. Nach der Entlassung bestand die Herausforderung darin, die Koordinationsprobleme im gesunden Bein zu beheben, um meinen Alltag zu meistern. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass ein Großteil der Koordinationsprobleme auch eine Folge der Sehnenentnahme sein kann. Die muskuläre Schwachstelle im gesunden Bein ist bis heute geblieben.
Heutzutage (Stand 2017) wird auf die Sehnenentnahme an der Gegenseite, wann immer möglich, zugunsten der Sehnenentnahme aus dem Oberschenkel (Hamstring) entschieden.
Rehabilitation mit zwei operierten Beinen nach Kreuzband Reruptur
Die Rehabilitationsdauer nach dem zweiten Kreuzbandriss oder einer Reruptur im gleichen Knie ist aufgrund der komplexeren Operation und der schlechteren Ausgangslage verlängert. Dennoch fand ich die zweite Kreuzbandriss Reha viel einfacher und entspannter. Denn ich kannte bereits sämtliche Kreuzband Symptome und Beschwerden. Diese Kreuzbandriss Reha war definitiv entspannter und meine Geduld war auch viel größer als nach meinem ersten Kreuzbandriss. Nun hatte ich eine Beziehung zu meinem Knie aufgebaut und hörte auf dessen Signale.
Quelle:
[1 ] Rick W. Wright, MD, Corey S. Gill, MD, Ling Chen, PhD, Robert H. Brophy, MD, Matthew J. Matava, MD, Matthew V. Smith, MD, and Nathan A. Mall, MD Outcome of Revision Anterior Cruciate Ligament Reconstruction: A Systematic Review. In: The Journal of Bone & Joint Surgery,Org, Volume 94-A d Number 6 d March 21, 2012.