Die Zeit bis zur vollständigen Genesung nach einer Kreuzband- oder Meniskus-OP ist schwierig und vor allem lang. Nach einer Knieoperation verläuft der Heilungsprozess selten geradlinig und Rückschläge in der Rehabilitation sind eher die Regel als die Ausnahme. Nicht selten hat der Patient nach einer Kreuzband-OP das Gefühl, dass die Nachbehandlung einfach „delegiert“ wird und er völlig alleine da steht. Dieser Beitrag beleuchtet die Nachbehandlung einer Kreuzband-OP unter Patientensicht und jenseits der Hochglanz-Prospekte: Nachbehandlung Kreuzbandplastik, wovon kaum einer spricht.
Falsche Nachbehandlung Kreuzbandplastik oder die schnelle Lust auf Fußball
Vor kurzer Zeit erhielt ich eine E-Mail von einer besorgten Mutter: „[…] meine 14-jähirge Tochter hatte einen vorderen Kreuzbandriss und erhielt einen Kreuzbandersatz. Nach neun spielte sie wieder Fußball und erlitt einen erneuten Kreuzbandriss im gleichen Knie. Wie kann das sein? […]“
Spontan fallen mir drei Möglichkeiten, weshalb junges Mädchen nach neun Monaten wieder Fußball spielt:
- Sämtliche Warnungen von Seiten der Ärzte, nach neun Monaten in den aktiven Sport zurückzukehren wurden ignoriert
- Es gab keine Warnungen hinsichtlich einer verfrühten Rückkehr zum Fußball
- Der Arzt hat seine Zustimmung für die Rückkehr zum Sport gegeben.
Was in diesem Fall wirklich geschehen war, weiß ich nicht. Eines steht für mich fest, selbst unter optimalen Reha-Bedingungen, ist eine Rückkehr zum Sport nach neun Monaten Abstinenz, zu riskant. Mir stellt sich in der Tat immer die Frage, wie es sein kann, dass Patienten immer wieder fragen, wie lange sie mit dem Fußball pausieren müssen, wenn doch die medizinischen Vorgaben klar sind?
Dazu habe ich mehrere Hypothesen, die ich im Folgenden näher beleuchten möchte:
Überzogene Erwartungen oder das Marketing-Problem
Fast jeder Patient bekommt von seinem Kniechirurgen einen zeitlichen Plan mit nach Hause, ab wann, was wieder erlaubt ist. Diese Nachbehandlungspläne variieren in ihrem Detailgrad, sowie in ihren zeitlichen Angaben.
Was der Patient einfach wissen sollte, diese Angaben der Ärzteschaft sind „Best-Case-Szenarien“. Also, die absolute Spitze schafft es mit viel Glück, Aufwand und Anstrengung, sich im Rahmen dieser Angaben zu bewegen. Bei einem Großteil der vorderen Kreuzbandriss-Patienten funktioniert die Nachbehandlung nicht so reibungslos, was nicht bedeutet, dass etwas schief laufen muss. Doch viele Patienten sorgen sich daraufhin.
Deshalb wäre die Angabe von „Worst-Case-Angaben“ sinnvoller. Dies würde zum einen den Druck von den Patienten nehmen und zum anderen könnten Betroffene eine bessere Planung bezüglich Jobrückkehr etc. aufstellen. Doch genau an dieser Stelle liegt der Hund begraben, wer lässt sich nicht lieber von einem Kniespezialisten operieren, der einem die Rückkehr zum Joggen nach vier anstatt sechs Monaten prophezeit? D.h., wir als Patienten haben unseren Anteil an der „Marketing-Blase – Nachbehandlung Kreuzbandplastik“, seit Jahren reduzieren sich die zeitlichen Angaben. Klar, die Operationsmethoden werden immer feiner, die Reha-Prinzipien immer ausgefeilter, nur der Körper heilt deswegen nicht schneller. Auch, wenn Profi-Sportler nach sieben Monaten wieder auf dem Platz stehen – dort sind andere Mittel im Spiel.
Andere machen lassen oder das Problem der Selbstverantwortung
Mit den überzogenen Erwartungen möchte ich an dieser Stelle fortfahren. Immer wieder lese ich, dass die Betroffenen zu wenig Physiotherapie verschrieben bekommen. Das mag in dem einen oder anderen Fall mit Sicherheit zutreffen. Doch ehrlich gesagt, kein Gesundheitssystem der Welt, könnte so viel Physiotherapie oder Krankengymnastik finanzieren, wie es für die breite Masse nach einem Kreuzbandriss wirklich notwendig wäre. Deshalb ist in der Nachbehandlung selbständiges Training gefragt und auch notwendig. Jeder Kreuzband-Patient muss sich im Klaren darüber sein, dass er die Selbstverantwortung für seine Nachbehandlung, Reha und Genesung trägt. In der Kreuzbandriss-Reha ist der zentrale Eckpfeiler für den Fortschritt: Eigeninitiative, Disziplin und selbständiges Training – natürlich immer unter der Prämisse, die Kreuzband-OP ist erfolgreich verlaufen.
Deshalb mein Plädoyer an alle Kreuzband-Patienten, frühestmöglich die Selbstverantwortung eines Reha-Erfolges übernehmen und für den täglichen Fortschritt selbst sorgen.
Lieber „Kniegelenk“ oder das Problem Kostenfaktor „Mensch“
Jeder kennt das Sprichwort: „Helfe dir selber, sonst hilft dir keiner.“ Im Prinzip trifft dies auch auf die vordere Kreuzbandriss Nachbehandlung zu. Während im Vorfeld einer Knie-OP noch verhältnismäßig viel Zeit in den Patienten „gesteckt“ wird, ändert sich das Verhalten, sobald der Patient entlassen ist. Ab diesem Zeitpunkt ist jeder gesetzlich versicherte Kreuzband-Patient ein „Verlustgeschäft“. Die Folge, der Patient bleibt mit seinen Fragen allein, die Reha-Nachbehandlung und deren Kontrolle ist oft mangelhaft. Es wird viel Zeit in die medizinische Aufklärung im Vorfeld gesteckt, weil dies gesetzlich gefordert wird, aber viel zu wenig in die Informationsvermittlung zum Thema Nachbehandlung, obwohl gerade dort eine Menge „falsch“ gemacht werden kann. Eine Bring- oder Holschuld – irgendwie beides!
Mein Rat an alle Kreuzbandriss-Patienten, viel lesen, informieren, nichts in der Nachbehandlung überstürzen und selbst den Kopf einschalten.
Lahmendes Pferd reiten oder das stetige Problem der Behandlungsqualität
Immer wieder lese ich den Satz: „Ich vertraue meinem Arzt voll und ganz!“, eher selten, hört man den Spruch: „Ich vertraue meinen Finanzbeamten oder Banker vollkommen!“ Komisch eigentlich, denn unterlaufen uns nicht allen Fehler? Gibt es nicht kompetentere Menschen in jedem Job? Haben wir nicht alle mal einen schlechten Tag? Wieso, ist das Merkmal des vollkommenen Vertrauens in den „helfenden“ Berufen ein solches Dogma – gerade dort, wo es um alles, nämlich die eigene Gesundheit geht.
Ein altes indianisches Sprichwort sagt: Wenn du ahnst, dass du ein lahmes Pferd reitest, steige ab!“ Dieses Sprichwort trifft in mehrfacher Hinsicht auf die Nachbehandlung nach einem Kreuzbandriss zu.
Krankengymnastik und Physiotherapie nach Kreuzbandriss
Den Physiotherapeuten während eines ausgestellten Rezeptes zu wechseln, ist aus Gründen der Abrechnung schwierig. Der einzige Weg besteht darin, die laufende Behandlung abbrechen, den überweisenden Arzt zu informieren und um ein neues Rezept bitten. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die angefangenen Behandlungen selbst zu bezahlen und das Rezept in die neue Praxis mitzunehmen. Bei einer Gemeinschaftspraxis ist ein Therapeutenwechsel meist einfacher, sofern es sich um Angestellte der Physiotherapie-Praxis handelt, d.h., der Physiotherapeut nicht das Rezept auf selbständiger Basis abrechnet
Jetzt ist es natürlich nicht ganz einfach als Laie zu beurteilen, ob dieser Physiotherapeut der geeignete für mich ist, sofern der Sympathie-Faktor stimmt. Deshalb provoziere ich etwas mit meiner Haltung und sage: „Teste“ andere Therapeuten und finde es heraus! Ein weiterer Vorteil vom mäßigen Therapeuten-Hopping ist, dass ein neuer Physiotherapeut eventuell andere Schwerpunkte setzt, Dinge aus einen anderen Blickwinkel betrachtet oder nur neuen Schwung in die Nachbehandlung bringt – deshalb ruhig mal vom anderen Kuchen „naschen“.
Arztwechsel nach Kreuzband-OP
Den nachbehandelnden Arzt zu wechseln wäre dagegen ein Kinderspiel, wenn man zeitnah einen Termin bekommen würde. Die erfahrenen Knie-OP-Leser machen bereits im Vorfeld einen Termin bei einem zweiten Behandler aus. Ganz nach der Devise: Absagen geht immer! Dazu muss man aber auch wissen, dass sich der eine oder andere Arzt „weigert“ voroperierte Patienten zu übernehmen und auf den Operateur verweist. Das ist sehr einschränkend, wenn der Arztwechsel aufgrund weiter Anfahrtswege erfolgt.
Aber auch hier kann ich nur raten, wenn die Behandlungs- und Beratungsqualität nicht stimmt, Hektik, Unaufmerksamkeit und ständige Zeitnot in der Praxis vorherrschten und erhebliche Knieprobleme über Wochen nicht ernst genommen werden, sich eine zweite ärztliche Meinung einzuholen. Das ist kein Vertrauensbruch, sondern gesunder Menschenverstand.
Meine Wünsche
Informiere dich gut, sei äußerst aufmerksam deinen Behandlern und dir gegenüber. Darüber hinaus, wünsche ich dir den Mut, dich an der entsprechenden Stelle gegen vermeidliche „Autoritäten“ durchzusetzen (auf den zweiten Blick sind sie alle Dienstleister), und ggf. eine „unliebsame“ aber notwendige Entscheidung für dich zu treffen.
Darüber hinaus, denken viele Patienten, dass unsere Leistungen des Gesundheitssystem ausreichen. Eine grobe Fehleinschätzung: Wusstest du, dass sowohl Physiotherapie als auch eigenes Training wichtig sind? Hier erfährst du, wie du deine Trainingsleistung zu Hause optimierst und damit für dich selbst sorgst. Weil andere, es mit Sicherheit nicht für dich tun!