Heutzutage ist davon ausgehen, dass in spezialisierten Zentren für Kniegelenke etwa 15 % aller Eingriffe Revisionen am Kreuzband sind. Die steigende Anzahl der sogenannten „Wiedereingriffe“ erklären sich auch aus der Tatsache, dass Patienten heute schneller wieder in ihren Sport zurückkehren, als noch vor ein paar Jahren der Fall war. Ganz einfach, weil die Fortschritte der Kreuzband-OP Methoden und deren Reha eine schnellere Fitness suggerieren – doch dieser Schein trügt.
Angesichts dessen ist es wichtig, dass man für den ersten Kreuzbandersatz ein OP-Verfahren wählt, welches eine unkomplizierte spätere Kreuzbandrevision erlaubt. Das mag zunächst seltsam klingen – doch die Statistik der Kreuzbandrevisionen spricht für sich.
Einflussfaktoren auf den zweiten Kreuzbandriss (VKB-Reruptur)
Das Kreuzband zweimal gerissen? Der zweite Kreuzbandriss hat sicher auch mit Glück oder Pech in einer bestimmten Situation zu tun, doch nicht allein! Es gibt eine Reihe von Parameter, die das Risiko auf einen zweiten Kreuzbandriss (komplette Reruptur oder Teilabriss) erhöhen:
- Probleme in der Anwendung der OP-Technik (Anlage der Bohrkanäle, Fixation etc.)
- Unzureichende Rehabilitationsstrategie und Dauer der Nachbehandlung
- Schlechter muskulärer Status und neuromuskuläre Steuerung (Koordination und Sensomotorik)
- Kein sportartspezifisches Vorbereitungstraining nach der Kreuzband-Reha
- Zeitpunkt der Rückkehr zum Sport (Wettkampfsport) erfolgt zu früh
- Auftretende Komplikationen nach Knieoperationen
- Nicht beeinflussbare Faktoren (z. B. Geschlecht).
„Wiedereingriff“ oder vordere Kreuzband Revision (VKB-Revision)
Eine VKB-Revision bezeichnet in der Kniechirurgie die Wiederholung oder Erweiterung eines zuvor durchgeführten operativen Eingriffs am Kreuzband. Der häufigste Grund für eine VKB-Revision ist der unzureichende Erfolg des vorangegangenen Eingriffs oder aufgetretene Komplikationen.
Mit der Revision am Kreuzband versuchen Operateure, den ursprünglich angestrebten Behandlungserfolg oder zumindest eine Verbesserung des aktuellen Zustandes zu erreichen.
Operative Ursachen für die Revisionsoperation am Kreuzband
Der erneute Kreuzbandriss (Re-Ruptur) durch einen adäquaten Unfall führt in vielen Fällen zu einer Revision am Kreuzband. Weiterhin liegen die Gründe für eine gescheiterte erste Kreuzbandoperation in der Fehlplatzierung der Bohrkanäle und nicht behandelte oder übersehene Begleitverletzungen.
Weitere Möglichkeiten, weshalb eine erneute OP am Kniegelenk (Arthroskopie) in Betracht gezogen werden kann:
- Anhaltende Instabilität im betroffenen Kniegelenk
- Eingeschränkte Funktionsfähigkeit (Insuffizienze Kreuzbandplastik)
- Bewegungseinschränkung im Kniegelenk (Zyklopssyndrom, lokale Vernarbungen)
- Gelenkblockade im Knie
- Infektionen im Kniegelenk
- Schwellung (Ergussbildung im Knie).
Lässt sich die Symptomatik im Knie nicht durch einen „einfachen“ Revisionseingriff (bspw. Arthrolyse) beseitigen oder mildern, kann es bei gravierenden operationstechnischen Fehlern, z. B. Fehlplatzierungen von Bohrkanälen, notwendig sein, die gesamte vordere oder hintere Kreuzbandplastik zu entfernen.
Rät der behandelnde Arzt zur Entfernung der ersten Kreuzbandplastik aufgrund von Komplikationen, kann ich nur dringend jedem Patienten empfehlen, die Option auf eine Healing Response an der Kreuzbandplastik abzuklären.
Zweite Kreuzbandriss, wie wird tatsächlich operiert
Die gewählte Operationsmethode entscheidet maßgeblich über die Anzahl der bevorstehenden Knieoperationen.
Einfaches einzeitiges Vorgehen nach dem zweiten Kreuzbandriss
VKB-Revisionsplastik unter Verwendung „alter“ (vorhandener) Bohrkanäle in einer Knie-OP.
Aufwendiges zweizeitiges Vorgehen bei der Kreuzbandrevision
Zuerst die Auffüllung der vorhandenen Bohrkanäle mit eigenem Knochenmaterial (Spongiosaplastik/ Spongiosaplastik). Etwa vier Monate später erfolgt die Revisionplastik nach Einheilung der Spongiosa.
Vorgehen bei einer Spongiosaplastik im Knie
Entscheidet sich der Kniespezialist für ein zweitzeitiges Vorgehen, verwendet der Operateur vielfach die Spongiosa aus dem Beckenkamm. Bei großen Kanalerweiterungen im Bereich der Kreuzbandplastik lassen sich jedoch nicht immer ausreichende Spongiosa-Mengen zum Auffüllen der Bohrkanäle aus dem Becken oder der Tibia gewinnen. In diesem Fall greifen Knieexperten zu Knochenermaterial; diese sind zusätzlich in Kombination mit einer Spongiosa verwendbar. Zuerst entfernt der Kniechirurg die „alte“ Kreuzbandplastik und füllt die erweiterten Tunnel mit der entnommenen Spongiosa auf.
Nachbehandlung nach Spongiosaplastik
Die Nachbehandlung erlaubt eine schnelle Vollbelastung nach etwa 2 bis 3 Tagen. Dann heißt es für den Patienten abwarten bis zur zweiten OP – der erneuten Rekonstruktion des Kreuzbandes.
Nachteile der Spongiosaplastik für den Patienten
Der Nachteil einer Entnahme der Spongiosa aus dem Beckenkamm ist neben der Tatsache, dass der Patient zwei Operationen mit allen Risiken auf sich nimmt, auch die relativ hohe Entnahmemorbidität am Beckenkamm. Patienten berichten von anhaltenden Schmerzen an der Entnahmestelle. Ebenso bleibt eine etwa 5 cm große Narbe auf dem Hüftknochen zurück.
Nach welchen Kriterien entscheidet der Operateur beim zweiten Kreuzbandriss
Die Entscheidung hinsichtlich einer oder zwei Operationstermine wird maßgeblich bestimmt durch:
- Die Lage der Bohrkanäle
- Der Tunnelerweiterung (Durchmesser oder Weitung der Bohrkanäle)
- Der verwendeten Fixationsmethode in der ersten Kreuzband-OP
- Der Knochenqualität (Dichte und Härte) im Bereich des Schienbeins und Oberschenkel
- Sonstige Schäden und Begleitverletzungen (bspw. Meniskus und Knorpel).
Der Radiologe unterscheidet nach der bildgebenden Diagnostik zwischen der Lage der angelegten Bohrkanäle und dem Durchmesser:
Korrekter Bohrkanal: Der Tunnel ist in korrekter Position angelegt. Bei fehlender Tunnelweitung können diese Kanäle in der zweiten Kreuzbandriss-OP erneut verwendet werden.
Inkorrekt: Der Bohrkanal ist komplett außerhalb der korrekten Position angelegt. Da diese Kanäle in einer neuen Kreuzbandersatz-OP nicht stören, erfolgt die Neuanlage der Bohrkanäle ohne Auffüllung mit Knochenmasse.
Inkomplett inkorrekt: Der Bohrkanal befindet sich teilweise in der neuen angestrebten Zielposition und würde eine unzureichende Fixation des Transplantats hervorrufen. In diesem Fall raten viele Knieexperten, erst die „alten“ Bohrkanäle mit Spongiosa zu füllen, um später die Schrauben in der eingeheilten Knochenmasse sicher zu verankern.
Wichtig, massive Knochenverluste nach Voroperationen am vorderen oder hinteren Kreuzband sind im MRT nicht immer darstellbar. In diesem Fall eignet sich eine CT-Aufnahme besser. Ich persönlich kenne drei Fälle, wo genau diese CT-Aufnahmen im Vorfeld nicht gemacht wurden – die „böse“ Überraschung kam während der Kreuzbandrevision-OP.
Erste Wahl bei Kreuzbandrevisionen – All Press Fit
Unter Verwendung der All Press Fit-Technik entfällt bei vielen Revisionen die zweite Knie-OP (nur einzeitiges Vorgehen). Im Falle der All Press Fit-Verankerung stellt sich das Schrauben-Problem nicht, da keine Fremdimplantate zur Verankerung der Kreuzbandplastik eingesetzt werden, die später halten müssen.
Das Prinzip lautet: „Bio statt Metall„. Die Verankerung der neuen Kreuzbandplastik erfolgt ausschließlich mit eigenem Knochenmaterial, das in der Operation direkt gewonnen und verpflanzt wird. Diese Press fit Verankerung ermöglicht, als einzige Kreuzband-OP Methode, ein Knochen zu Knochen Heilung.
Operateure, die Kreuzbandplastiken nach der All Press Fit-Methode fixieren, ersparen dem Patienten unter Umständen im Revisionsfall eine unnötige Knieoperation. Dies muss zuvor über eine CT-Aufnahme geprüft werden, dort sieht man die erweiterten Bohrkanäle am besten. Wer schon beim ersten Kreuzbandriss auf Fremdmaterial verzichtet, schafft sich eine einfachere Voraussetzung bei der VKB-Revision, da Fremdmaterialien (Schrauben, Pins etc.) nicht entfernt werden müssen.
Planung einer vorderen oder hinteren Kreuzbandrevision
Die präoperative Planung umfasst als Erstes die genaue Analyse der Ursachen und Mechanismen, welche zu dem Versagen des Kreuzbandersatzes führten. Diese Klärung erfordert eine detaillierte Anamnese, eine körperliche Untersuchung und entsprechende radiologische Diagnostik.
Der daraus abgeleitete Behandlungsplan für die VKB-Rekonstruktion umfasst damit folgende Überlegungen:
- Entfernung alter Verankerungsmaterialien (Schrauben, Pins etc.)
- Notwendigkeit eines zweizeitigen Vorgehens
- Zukünftige Fixationstechnik und Möglichkeiten der Transplantatwahl (Sehne) in der Revision.
Mein Fazit für erneute Operationen am gerissenen Kreuzband
Im Revisionsfall steht nicht die Frage der Transplantatwahl an erster Stelle, sondern die Auswahl der geeigneten Verankerungstechnik. Außerdem ist ein erfahrener Kniespezialist für Kreuzbandrevisionen wichtig, der intraoperativ die Entscheidung für das beste Transplantat trifft – in Abhängigkeit der vorgefundenen Situation. Damit muss beim zweiten Kreuzbandriss nicht zwangsläufig, der erste Knieexperte auch der Geeignete für die nächste Kreuzbandplastik sein.